Harsewinkel. Die beeindruckende Vorstellung der Weltklasseathletin Nina Kraft (Bayer 05 Uerdingen) auf der Mitteldistanz und der „Heimsieg“ von Ingmar Lundström (Asics Team Witten) auf der Kurzdistanz ragten als erkennbare Höhepunkte aus dem von TriSpeed Marienfeld gut organisierten Harsewinkeler Triathlon am Sonntag heraus.
Während dem Erfolg von Ingmar Lundström eine spannende sportliche Entscheidung und gespanntes Warten auf eine Entscheidung der Wettkampfrichter vorausging, war der Sieg von Nina Kraft so unumstritten wie noch kein Erfolg in Harsewinkel. Nach 2 km Schwimmen, 88 km Radfahren und 20 km Laufen in 4:08:41 Stunden hatte die 33-jährige Powerfrau über eine halbe Stunde Vorsprung vor Bettina Reisige-Muhr (TVG Kaiserau). „Ich bin ziemlich zufrieden“ sagte die Braunschweigerin im Ziel, das sie zehn Sekunden vor ihrem Freund und Trainer, dem 34-jährigen Innsbrucker Martin Malleier erreichte.
Die Siegerin des letztjährigen Ironman-Europe in Roth und Dritte von Hawaii schloss mit dem Testwettkampf in Harsewinkel einen intensiven Zwei-Wochen-Trainingsblock ab, der ihr tags zuvor noch 130 km auf dem Rad und 20 km Laufen abverlangt hatte. „Nun folgt eine kurze Ruhephase“, kündigte ihr Coach eine Woche mit „nur 15 Stunden Training“ an. Normalerweise ist Nina Kraft zwischen 23 und 27 Stunden in ihrem sportiven „Job“ aktiv. Die gelernte technische Zeichnerin tourt im fünften Jahr als Profi durch die Triathlon-Welt. Ziel in dieser Saison ist wieder Roth, „aber Hauptziel ist Hawaii“, erklärte sie Sonntag. Dort war sie im Vorjahr als erste deutsche Frau überhaupt aufs Treppchen gelaufen, nachdem sie auf der Radstrecke sogar 120 km lang geführt hatte. Der ersehnte Sponsoren-Boom setzte aber nicht ein. „Ich lebe hauptsächlich von den Preisgeldern“, hofft Nina Kraft, durch weitere Erfolge in dieser Saison vielleicht an den Marktwert der prominenten männlichen Triathleten anknüpfen zu können.
Einer, der sich anschickt, in die Phalanx der Leder, Hellriegel und Co. einzudringen, musste am Sonntag auf seinen Mitteldistanzstart verzichten. Der Erkenschwicker Andreas Niedrig (34) hatte erst am Freitag nachgemeldet, sagte jedoch gestern früh wegen Magen-Darm-Beschwerden telefonisch bei TriSpeed-Cheforganisator Robert Becker ab. Somit schien der Weg frei für Paul Kemper (TriFinish Münster), der schon vor zwei Jahren in Harsewinkel erfolgreich war. Der 27-Jährige aus Olsberg hatte beim Laufen seinen Drei-Minuten-Rückstand auf die Spitze auch schon so weit verkürzt, dass er sich das Sieges selber sicher war. „Hochmut kommt vor dem Fall“ kommentierte Kemper seinen Einbruch auf der letzten von vier Laufrunden („Die Beine gingen richtig zu, ich musste gehen“) selbstkritisch.
Überrascht von dieser Entwicklung war auch Moderator Robert Becker, der im Ziel des „Freibadstadions“ auf einen Zweikampf zwischen Kemper und dem Münsteraner Andreas Benstein fixiert war. Das Rennen machte aber, und das ist im Triathlon eine absolute Seltenheit, der schnellste Schwimmer: Sebastian Linke (SC Langenhagen) war auf dem Rad zwar rasch auf Position drei zurückgefallen, holte den eineinhalbminütigen Rückstand beim Laufen aber wieder auf und überholte Benstein bei Kilometer 16. „Habe ich wirklich gewonnen?“, fragte der 25-Jährige ungläubig im Ziel. Erst als ihm Robert Becker wenig später die Siegerblumen überreichte, wich die Ungewissheit. Nun geht der Lehramtsstudent (Sport/Geschichte) mit Rückenwind in die Vorbereitung für den Zürich-Ironmen, bei dem er sich für Hawaii qualifizieren will.