MALLORCA-BIKEN: Von Wollemossa, Lutsch-Majoren und Pussy-Bikern

Playa de Palma. Mit schweren Beinen, guten Vorsätzen und einem (dem einzigen) Regentag endete das Radtrainingslager der 28 Marienfelder Triathleten am Sonntag auf Palma de Mallorca. Eins vorweg: An die fantastischen Kilometerleistungen des Vorjahres (Rekordwert 2008 Gregor Rüschoff: 1.350 km) war diesmal nicht zu denken. Über 1.000 km lagen nur ganz wenige Tour-Teilnehmer. Später Hinflug, Regen am letzten Tag und die Vielzahl an Bergetappen dürfte dafür ein Grund gewesen sein. Dafür gab es wieder einige Überraschungen: Mit sportlicher Fahrweise beeindruckten vor allem Wolfgang Ermeling und Ironman-Newcomer Gregor Rüschoff. Aber auch einige Debütanten hielten gut mit. Und ein mitgereister Gastwirt lieferte den Beweis, dass in einen einzigen Körper 7,5 Liter Weizenbier passen – hintereinander natürlich.

Sensationell natürlich wie immer die Wort-Neuschöpfungen, die während einer solchen Reise entstehen. So erarbeitete sich Wolfgang („Wolle“) Ermeling den ehrfurchtsvollen Namen „Wollemossa“ in Anlehnung an das Tourisitensörtchen Valldemossa hoch oben im Gebirge, nachdem der 17-fache Ironman auf der Küstenklassikerroute jeden Berg im als Erster genommen hatte. Bei Ermeling ist die Form nach einem Jahr USA und einem halben Jahr Österreich ausgezeichnet. Allerdings hatte der 41-Jährige einen Grundstein dafür schon im Januar auf Lanzarote gelegt. Langdistanzen plant der seit 1989 aktive Ex-Verler in diesem Jahr nicht. „2010 geht es wieder zum Ironman“, sagt Ermeling. Ziele sind für „Wolle“ die 2. Bundesliga und die Heimspiele. „Vielleicht mache ich im Juni meinen 17. Start in Harsewinkel und verteidige eine Woche später meinen vierten Platz beim Dalkeman“, so Ermeling, der wie immer im Miners-Trikot auf Malle für das Tempo sorgte und mit breitem Kreuz auch während der Flachstücke gern Windschatten spendete.

Stark fuhr auch „Mr. Lightweight“ Gregor Rüschoff, der Christoph Rahmann, dem Sportler des Jahres 2008, die zweite Position in den Bergen hinter „Wollemossa“ streitig machte. Die Umfänge steckte Rüschoff, der im Januar an gleicher Stelle mit Hondo, Klöden und Grabsch trainiert hatte, ebenso locker weg wie die Berge. Eine bewährt gute Form bewies der Teamkapitän der 2. Bundesliga-Mannschaft, Tobias Jazbec. Den Preis für den besten Neueinsteiger heimste Wolfgang Hillemeier ein. Erst seit wenigen Wochen aktiver Radrenner und Läufer, schreckte der Ex-Torhüter und Torwarttrainer (u.a. Arminia) nicht davor zurück, mit der schnellen Trispeed-Truppe die Küstenklassics in Angriff zu nehmen und bestand diese Härteprüfung (2.400 Höhenmeter auf 145 km) mit Bravour.

Natürlich gab es auch Ausfälle. Dr. Somma alias Konrad Ketteler brachte „Magen-Darm“ schon aus Deutschland mit und musste während der ersten Tage mächtig zurückschrauben. Als es wieder besser ging, begann Somma ganz vorsichtig im Windschatten. „Ich war heute der Lutsch-Major“, grinste er deshalb, als er die erste Trainingstour über Luccmajor erfolgreich beendet hatte.

Als Unikum erwies sich der vom Skifahren aufs Radfahren umgestiegene Martin Niemerg. Der Cousin des „großen“ (Frank) Niemerg, Trainingskollege von Faris Al Sultan, zeigte nicht nur an den Steigungen Charakter, als er jeden noch so winzigen Hügel verfluchte, sondern zeigte sich stets siegesgewiss, wenn andere ihm den Erfolg missgönnten. „Siehst selbst aus wie ein frisch frisiertes Eichhörnchen“, maulte er Mannschaftskollegen an, die morgens einen müden Gesichtsausdruck festmachen wollten. Das „Cap“ (Formentor) suchte er in den Bergen, wo er nach Öffnung des Puig Major (drei Monate gesperrt wegen eines Erdrutsches) am vorletzten Tag im Gerolsteiner-Dress und flatternder Weste auf dem Gipfel schon fast so aussah wie ein Wasserträger von Schumacher und Kohl. Und das machte er wirklich: 15 km weiter in Soller schleppte „der Lange“ für das dürstende Peloton einen 5-Liter-Kanister an.

Der große Showdown stand da noch aus. Als am letzten Trainingstag nach drei Wochen ununterbrochener Sonne auf Mallorca morgens um 10 Uhr für eine Stunde Regen aufkam, war Niemerg der einzige, der trotzdem losfuhr, nicht vorzeitig umdrehte. So schaffte er als einer von wenigen, die magischen 1.000 km vollzumachen. Für die auf ihre Gesundheit bedachten Triathleten, die lieber laufen gingen, hatte der Lange nur Kopfschütteln übrig: „Alles Pussy-Biker, die beim ersten Regentropfen umdrehen.“