Radsport: Konrad Ketteler und die Brownsche Molekularbewegung

Marienfeld (rob). Das Lob kam aus berufenem Munde: Als das Team Milram vor einer Woche in Dortmund den Kader für die am Samstag beginnende Tour de France vorstellte, arbeitete hinter der Bühne der Marienfelder Zweiradmechaniker Konrad Ketteler an den sündhaft teuren Laufrädern der Milram-Profis. Der Einsatz war Millimeterarbeit und nachher erhielt Ketteler anerkennendes Lob von Fahrern, Mechanikern und seinem Auftraggeber Jörg Ludewig. Der Ex-Profi ist Vertriebsleiter für die Laufräder von Lightweight.

Ketteler widmete sich einem Problem, dass die Fahrer „Bremsruckeln“ nennen und die Hersteller der Karbon-Laufräder vor bislang kaum zu lösende Probleme stellte. Der 47-jährige schaffte es mit einer ausgeklügelten manuellen Schleiftechnik die ersten elf von 120 Laufradsätzen des Rennteams wieder auf Vordermann zu bekommen. Das Bremsverhalten, das sich durch die harte Beanspruchung im Profieinsatz, verändert hatte, ist wieder tadellos. Bei längerem Bremsen wird das Karbon bis zu 200 Grad heiß und dann kommt es zu Materialverformungen, die im Zehntel-Millimeterbereich liegen. Besonders bei Regen und nassen Straßen ist es für die Fahrer eminent wichtig, ohne „Ruckeln“ auf Null zu kommen.

Konrad Ketteler legt Wert auf die Feststellung, dass es keine Reparatur ist, die er ausführt, denn Karbon-Laufräder sind laut Nachweis der Hersteller für über 100.000 Kilometer Laufleistung gut, also im Prinzip „unkaputtbar“. Dennoch ist es unbestritten, dass die hohen Belastungen, die z.B. beim Bremsen entstehen, geringe Verformungen verursachen. „Dickenschwankungen“ nennt Ketteler das Phänomen. Der Hobby-Radfahrer, der vier Semester Elektrotechnik studiert hat, kann das Ganze sogar wissenschaftlich erklären. Wenn Ketteler anfängt, von der brownschen Molekularbewegung zu erzählen, die 1827 der Schotte Robert Brown nachgewiesen hat und der sich 1905 auch Albert Einstein annahm, dann wird’s indes physikalisch. Nur soviel: nach diesem Naturgesetz beschreibt jedes Atom oder Molekül eine Bewegung, deren Ausmaß temperaturabhängig ist.

Für den Daniel Düsentrieb aus Marienfeld ist die Erfindung von wichtiger Bedeutung, sichert sie ihm doch zusätzliche Aufträge. „Das Erfindertum liegt bei uns in der Familie“, sagt Konrad Ketteler und erinnert, dass sein Onkel in den 70er Jahren mit Traglufthallen für Freibäder und Tennisplätze bundesweit für Aufsehen sorgte.

Bei Ketteler hat nun der Hersteller aus Süddeutschland, für den er bislang vor allem die schlauchlosen Reifen auf die Felgen klebte, einen Besuch angekündigt. Ob Ketteler das Geheimnis seiner Schleiftechnik dann offen legen will, weiß er noch nicht. Aufmerksam geworden sind auf alle Fälle schon die Nachbarn. Weil die Arbeit viele Testfahrten erforderte, fiel Marienfelds „Daniel Düsentrieb“ regelrecht auf, wie er tagelang die Ausfallstraßen rauf und runter donnerte. „Ein Nachbar hat schon gefragt, ob ich nichts anderes zu tun hätte“, grinst Ketteler. Vielleicht kann er ja auch irgendwann die Räder des siebenfachen Toursiegers nachbearbeiten. Im Januar hat Lance Armstrong sich bei der Tour Down under jedenfalls mit Laufrädern des Herstellers eingedeckt.