„Hey, was geht?“ simst mir ein Freund am Tag nach meiner ersten erfolgreichen Halbdistanz seit 20 Jahren, da fällt mir mein eigener Zustand mal so richtig auf. „Nix“, denke ich, es geht nichts. Nicht einmal gehen. Muskelkater überall. Schmerzliche Nachwehen eines wundervollen Wettkampfs, den ich kurz beschreibe.
Der Veranstalter hat es mit uns nur gut gemeint: In jedem Starterbeutel zum „Ostseeman“ Damp (1,9-90-21 km) war neben Traubenzucker, diversen Infobroschüren, Startnummern und Aufklebern auch ein Kondom dazu gepackt – man weiß ja nie. Wer, wie es sich für einen Trispeeder geziemt, die Unterlagen indes erst 20 Minuten vor Check-In-Ende abholt („Waaas? Noch Unterlagen?“), der hat allerdings ganz andere Sorgen.
Der Ostsee-Man: Top organisierter Triathlon, bestes Wetter mit wenig Westwind, Sonne und 21 Grad. Debütveranstaltung, 600 Starter, 50 Staffeln. Wir mit 7 Aktiven mitten drin. Schwieriger Schwimmkurs (5 Bojen, Linksschleife), 18 Grad kühle, aber stille Ostsee, keine Quallen, klare Unterwassersicht. 15 Minuten Startverschiebung, „zu eurer eigenen Sicherheit“, sagt der Sprecher. Angeblich, so wurde erzählt, habe eine Polizeistaffel über die Radstrecke ausrücken sollen.
Dann geht’s los: Weit reinlaufen ins seichte Wasser, die erste Boje nach 150 Metern, rechtsrum und dann nur noch Linkskurven. Erstaunlich wenig „Gehaue“, aber auch wenig Platz zum schneller Schwimmen. Ausstieg im Hafenbecken von Damp: 32:21 Minuten netto sind für mich okay, denn die Strecke war wohl 100 m länger als die angesetzten 1,9 km. Dann die „Beuteltechnik“, für uns Kurz- und Sprintspezialisten eher ungewohnt. Blau mit den Radsachen, gelb mit den Laufschuhen. Wechsel im Zelt, endlich mal auf der Bank sitzen und den Neo „in Ruhe“ abstreifen. Rauf aufs Rad, läuft sofort gut, aber pausenlose Überholungen von Zeitfahrrädern, oft mit Scheibe oder extremen Hochbettfelgen bestückt. Oh, wie sie heulen, diese Räder. . . Ein P5, das mit guten Wheels an die zehn Scheine kostet, scheint mittlerweile Standard. Wer drunter fährt, sollte sich Gedanken machen, oder (noch) mehr trainieren. Vier Runden, 87 Kilometer, 500 Höhenmeter, tolle, teils kurvige Radstrecke auf vollgesperrtem Kurs. Klasse.
Einbiegen in den Radpark: kurzer Schreck, schon locker 80 Bikes da. Aber noch deutlich unter 3 Stunden. Mit 2:55 Stunden geh ich in den Halbmarathon. Vier Runden, die dann nicht ganz so prickelnd werden. Wald- und Wiesenwege und viermal Strandpromenade, durchaus anstrengend. Überholvergänge führen durchs hohe Gras. „Die Oberschenkel sind schlecht bestellt“ hätte „uns Bruno“ (Altmann) gesagt. Genauso geht es mir. Bei Kilometer 14 „platzt“ auch noch die rechte Wade. Trotzdem weiter. Ich werde angefeuert, teils mit Namen (steht auf der Nummer), teils mit „Hey, Harsewinkel!“ Die Fans sind überall.
Es gelingt mir, einen Wegbegleiter, der die Krämpfe- und Wadenattacken über 16 km lang „live“ mitbekommen hat („Wie kann man denn damit weiterlaufen?“) auf dem Schlusskilometer abzuschütteln. Kurz vor der Strandpromenade, jetzt sind es noch 800 Meter, ein Athlet vor mir, der möglicherweise meiner Altersklasse angehört. Ich will nicht, aber ich MUSS nochmal alles reinwerfen. Natürlich stellt sich nachher heraus, dass ich falsch lag, ein M45er war es.
Eineinhalb Stunden lang habe ich beim Halbmarathon nicht auf die Uhr gesehen. „4:40 Stunden werden es wohl sein“, sag ich mir als ich in die Zielgasse einbiege. Dann sehe ich die Uhr: 4:26:51 Stunden. Mir läuft ein kleiner Schauer über den Rücken. Ich werde von den beiden top Moderatoren richtig „fett“ angesagt. Dann ist der letzte Schritt gemacht. Wenige Minuten später kommen unsere anderen Athleten rein. Alle haben heute etwas gewonnen: Lisa die AK 20, Vanessa Dritte der AK 30, Christian bleibt unter der magischen 5-h-Marke und die Mixed-Staffel mit Svea, Patrick und Pierre wird Dritte.
Wir sind alle glücklich. Ich bin 66. geworden, Zweiter meiner Altersklasse. Ich kann jetzt nicht mehr gehen, nur humpeln. „Jetzt gleich nächste Stufe weiter“, meint Lisa und will mich motivieren, einen Hamburg-Ironman-Startplatz für in fünf Wochen zu ergattern. Brauch ich den? Oder bin ich als Klassenzweiter jetzt direkt für den Ostseeman auf Hawaii qualifiziert?