Marienfeld (rob). Sieben Mal hat Lance Armstrong mit einem Trek-Bike die Tour de France gewonnen. Mein Trek hat mich gestern leider nicht hochtragen können zum Hermannsdenkmal. Schlechter Vergleich? Nun, zwei Kilometer unterhalb von Hermanns Schwert ist mir „infolge einer Verkettung unglücklicher Umstände“, wie man so schön sagt, die Kette gerissen. Das Rad ist 22 Jahre alt. Strahlrahmen, keine Federgabel, das totale Gegenteil eines „Fullys“. Es war die Urkette noch drauf, auch die ersten Reifen, die ersten Lager, nichts getauscht. Und kein Materialwagen in Sicht.
Seit 15 Jahren fahren wir an Allerheiligen punkt zehn Uhr zum Hermannsdenkmal und zurück. Nachher gibt’s immer noch ne Runde Brötchen, Kaffee und Süßes. Dieses Mal waren 28 Akteure dabei. Mein Rad stand gleich im Blickpunkt: „Die Reifen mit der weissen Flanke werden jetzt wieder modern“, sagt Olli, der bei einem Traumradhersteller in Lemgo für neue Bike-Entwicklungen zuständig ist. Das Trek ist mein Zweit-MTB. Es kam nochmal in den Genuss dieser Tour, weil vor zehn Tagen mein geliebtes, generalüberholtes Univega-10-Kilo-Bike in Brlin-Kreuzberg ungeplant den Besitzer gewechselt hat. Es wurde gestohlen.
Und so gib’s ab: Ich liege schnell hinten, finde mich also in der Verfolgung wieder, und wir haben Glück, dass der nette „Italiener“ Boris die Gemeinschaft der schnellen Twenty-Niner ab und an auf Wartepausen einschwört. So können wir dranbleiben — fast. Es hatte geregnet und die Nässe auf manchem Felsgestein macht es nicht gerade einfach, rutschfesten Vortrieb zu bekommen, vor allem zu Beginn. Wir lassen Oerlinghausen links liegen, stechen von der Seite auf den Tönsberg zu und radeln die alte Hermannsstrecke an Bienenschmidt und den Donoper Teichen vorbei.
Dann die besagte „Verkettung“: 5 Kilometer zuvor an den Teichen war mir bereits der Bowdenzug für den hinteren Schaltarm abgerissen, die Grip-Shift am Lenker.“Kannst Du sicher beim Hersteller reklamieren“, lacht Greg und deutet noch auf die daumengrößen Roststellen am Oberrohr: „Lass dir gleich einen Lackstift mitgeben.“
Ich kann nur noch auf den drei „Blättern“ vorn hin- und herschalten und auch das nur noch ganz eingeschränkt. Ich weiss jetzt, was im Zeitalter von DI 2 (elektronisch) und Ultegra (halbautomatisch) manuelles Schalten heisst: Mit dem Zeigefinger die Kette umheben. Wie ich mit zerrissener Kette, liegendem Rad und verstörter Mine da so an der Steigung stehe, muss ich ziemlich mitgenommen aussehen. Liebevoll kümmert sich ein Joggerpärchen um mich, würde Hilfe rufen, wenn es nötig sei. Ich aber warte nur auf Kettenwerkzeug und das hat zum Glück Patrick dabei. In nullkommanichts habe ich zwei Kettenglieder rausgetrennt, zusammengesteckt mit den kalten Fingern, zugedrückt den Splint und dann geht’s schon weiter.
Wie im Flug vergeht der Rückweg. Zu viert nehmen wir alle Berge. Ich schiebe (weil die Kette unter Belastung immer noch abspringt) jede Steigung rauf, bin am Tönsberg, im Schöpke und an den Treppen sogar schneller als unsere Biker. Kettenverschmiert treffe ich nach rund 60 Kilometern mit unserer „versprenkten Restgruppe“ wieder an der Sparrenburg ein. Für mein Trek-Bike — das mich die ersten fünf Jahre dieser MTB-Traditionstour begleitet hatte — war es wohl ziemlich sicher die letzte große Fahrt. Wir bleiben noch unter 4 Stunden. Aber längst ist klar, der Trend geht weg von den alten Stahlrössern und hin zu den Twenty-Ninern aus Carbon. Das wussten alle anderen vorher schon. Jetzt weiss ich es auch.