Daniel Roggenland, Triathlet aus der Zweitliga-Mannschaft von Trispeed Marienfeld und Enkel des verstorbenen „Bürgermeisters von der Ostheide“, belebt einen der ältesten Traktoren Harsewinkels wieder zu neuem Leben. Der 1958 gebaute Trecker war das Führungsfahrzeug beim ersten Harsewinkeler Karnevalsumzug.
Harsewinkel (rob). Der Opa wäre wohl stolz auf diese Tat: Als Daniel Roggenland letzte Woche den Zündschlüssel am alten Holder-Trecker umdreht, den Willi Roggenland, genannt „Pöcki“, ihm nach seinem Tod hinterlassen hat, schüttelt sich die kleine Karosse einmal und beginnt kurz zu qualmen. Dann aber zuckeln die 12 PS anstandslos und das Gefährt rollt vor die bekannte Scheune, wo viele Harsewinkeler 2014 Jogis-WM-Sieg und andere Fußball-Länderspiele geschaut haben und nun die Bauarbeiten gestartet sind für „Roggenlands Quartier“. „19 Kilometer pro Stunde schafft er jetzt wieder“, sagt der 27-jährige Enkel.
„Bürgermeister der Ostheide“ haben die Harsewinkeler Willi Roggenland genannt, weil der sich mit Kurierfahrten einen Namen gemacht hatte. Der rüstige und stadtbekannte Senior, der im November 2019 im Alter von 91 Jahren verstorben war, galt als Kümmerer, er packte jahrelang den Strauchschnitt aus der ganzen Nachbarschaft auf den Anhänger und rauschte mit dem Trecker-Gespann immer und immer wieder zum Kompostwerk am Mühlenwinkel. Schon bald hatten sie am Kompostwerk über 500 Frachten für ihn notiert. Roggenland-Senior war da längst der Stammkunde Nummer 1 geworden.
Irgendwann ereilte den Trecker eine Schwäche am Motor, einem eigentlich zuverlässigen Sachs Diesel L600-Antrieb. Richtig repariert wurde der Schaden nie, so konnte sich das Malheur im Innern weiterfressen. Irgendwann sprang der Trecker gar nicht mehr an. Enkel Daniel, gelernter Ingenieur und beruflich bei einem Technologie-Unternehmen in Paderborn tätig, nahm den Motor über die Wintermonate nun komplett auseinander. Roggenland ist als Sportler bekannt, zählt zum Nationalkader der Rettungsschwimmer und startet Triathlons in der 2. Bundesliga. Ein Grund, es jetzt anzupacken: Corona. Wegen der Pandemie lief das Training im Winter nur auf Sparflamme, entsprechend hatte er freie Zeit.
Der Schadensbericht fiel umfassend aus: Das obere Lager der Pleuelstange war gebrochen, der Zylinder kaputt. Statt den Motor auszufräsen und einen neuen Zylinder einzubauen – was unter Umständen teuer und ohne Garantie auf Erfolg gewesen wäre – entschied sich Daniel Roggenland nach einem Tauschmotor Ausschau zu halten. Über das Internet fand er nach einiger Suche einen gut erhaltenen Ein-Achs-Schlepper von einem Anbieter an der holländischen Grenze. Ein völlig anderes Gefährt, aber der baugleiche Motor. Aus diesem E12-Schlepper baute er den Antrieb komplett aus und in den Trecker ein. Zudem erneuerte er die Hydraulikpumpe und verlegte die komplette Elektronik neu. Reifen, Bremsen, und die Schaltpläne erneuerte er ebenfalls. „Da habe ich manche Nachtschicht investiert“, sagt Daniel Roggenland, denn ganz einfach war es nicht. Als Hobby-Schrauber war für ihn vieles Neuland.
Für diesen Trecker schien der Aufwand gerechtfertigt. Zwar werde ein Holder-Trecker im Sammlerwert nicht außergewöhnlich hoch taxiert, sagt Roggenland. Wichtiger ist ihm der historische Wert an sich und der Wert für die Familie. Sein Opa habe immer gesagt, seinen Sohn Bernhard – Daniels Vater – und den damals neuen Trecker habe er 1958 innerhalb von zwei Tagen bekommen. „Er hat uns immer erzählt, er wäre da der glücklichste Mensch von Harsewinkel gewesen“, erinnert sich Daniel Roggenland. Später hatte Roggenland-Senior, der Zimmermann war und Landwirtschaft im Nebenerwerb betrieb, noch einen größeren Eicher-Trecker. Der kleine Holder mit den schnuckeligen 12 PS aber blieb sein besonderer Liebling, zumal Roggenland-Senior damit beim ersten Karnevalsumzug Harsewinkels im Führungsfahrzeug saß.
An einen Feinschliff in optischer Hinsicht denkt der Enkel übrigens nicht. Zwar will er noch den etwas angekratzten Plexiglas-Spritzschutz im Fußraum austauschen. Polieren oder gar Lackieren möchte er Opas Trecker aber nicht. Fahrten zu Oldtimer-Schauen sind ebenfalls nicht geplant. „Dafür habe ich keine Zeit“, sagt Daniel Roggenland, und da blitzt dann der Leistungssportler in ihm durch. Die Wochenenden sind meistens mit Training und Wettkämpfen eng getaktet.
Stattdessen will der Enkel hin und wieder die Tradition des „Ostheide-Bürgermeisters“ pflegen. Neulich hat er mit dem Trecker in der Ostheide-Nachbarschaft Schnee geschoben. Am vorletzten Wochenende sind auch die ersten Touren mit Strauchwerk zum Kompostwerk wieder angelaufen. Man erzählt sich dort, der „Lieferant“ mit dem Kennzeichen GT-WR 270 gehe jetzt bald auf Lieferung Numero 1.000 zu.