Man stelle sich vor, ein Fußballspiel würde abgepfiffen und das Ergebnis stünde nicht fest, weil der Schiedsrichter nachträglich über die Anerkennung der Tore entscheiden und das Ergebnis erst eine Stunde nach Spielende verkünden dürfte. Es wäre das Ende des Fußballs.
Im Triathlon wird diese Groteske regelmäßig zur Wirklichkeit – zuletzt am Sonntag in Harsewinkel. Stephan Vuckovic wird im Ziel als Sieger gefeiert, und am nächsten Tag lesen die Zuschauer in der Zeitung, dass er gar nicht gewonnen hat. Und das auch nur, weil die nachträglich verhängte zwei-Minuten-Zeitstrafe zufälligerweise noch kurz vor Redaktionsschluss bekannt geworden war.
Solche Torheiten bedeuten nicht automatisch das Ende des Triathlons. Aber sie verhindern, dass der faszinierende Ausdauerdreikampf zu einer (wettbewerbs-)gerechten Angelegenheit für die Teilnehmer und zu einer nachvollziehbaren Inszenierung für die Zuschauer werden kann. Dem Publikum in Harsewinkel, dank des angekündigten Duells zwischen den Weltklasseathleten Stephan Vuckovic und Lothar Leder in noch nie da gewesener Zahl erschienen, wurde genau genommen sogar eine Mogelpackung geboten.
Keine Frage: Dem international versierten Profi Vuckovic hätte es nicht passieren dürfen, dass er bei seinem ersten Start im ,,Amateurbereich’’ gegen eine nur dort gültige Regel verstößt. Die Startnummer muss nicht erst beim Laufen auf den Bauch, sondern schon beim Radfahren auf dem Rücken getragen werden. Ein Skandal ist es allerdings, den von Konkurrenten entdeckten und an die Wettkampfleitung gemeldeten Regelverstoß nicht sofort, sondern erst im Nachhinein mit einer Zeitstrafe zu belegen. Und das nicht nur, weil dem Publikum deshalb ein falscher Sieger präsentiert wurde.
Hätte der Silbermedaillengewinner von Sydney seine zwei Minuten an Ort und Stelle in der Wechselzone zwischen Radfahren und Laufen abgesessen (was intern sogar überlegt worden war), oder hätte man ihn zumindest über den späteren ,,Zuschlag’’ informiert, der als bärenstarker Läufer bekannte Stuttgarter hätte sogar noch die Chance gehabt, den Wettkampf trotzdem zu gewinnen. Im Gefühl des sicheren Sieges beließ es Vuckovic dabei, die Konkurrenz mit angezogener Handbremse um 38 Sekunden auf Distanz zu halten. Skandalös ist es auch, einem anderen Athleten im gleichen Wettkampf den ,,Regelverstoß’’ vorab zu erlauben. Indem sie das mit dem Hinweis begründeten, Lothar Leder starte außerhalb des Ligabetriebs und somit gewissermaßen außer Konkurrenz, degradierten sie den Auftritt der deutschen Ironmanikone zu einer unwichtigen Kaffeefahrt.
Stephan Vuckovic wird die Posse schnell verkraften. Leidtragender bleibt TriSpeed Marienfeld. Die Erkenntnis lautet wieder einmal: Eine perfekte Organisation mit faszinierenden Leistungen und attraktiven Athleten reicht nicht, damit eine Veranstaltung zum durchschlagenden Erfolg wird. Man braucht auch die passende Sportart dazu.
Wolfgang Temme.
Der Autor, Wolfgang Temme (45), berichtet seit 1984 über Triathlon; zwischen 1990 und 1998 berichtete er fünfmal aus Roth vom Quelle Ironman-Europe. In seiner aktiven Zeit als Langstreckler lief er die 10 000 m auf der Bahn in 31:19,2 Minuten.