40. Hermannslauf: Ulrich Christmann bläst zum Angriff

Wenn am Sonntag um 11 Uhr der 40. Hermannslauf gestartet wird, ist der heimische Kreis in der Männerklasse wieder mit einem Aspiranten auf eine Top-Ten-Platzierung vertreten. Ulrich Christmann (Trispeed Marienfeld) nimmt den Lauf vom Detmolder Denkmal zur Sparrenburg nach Bielefeld zum ersten Mal in seiner langen Karriere ernsthaft in Angriff. Das Besondere: Mit 45 Jahren will Christmann, der lange Zeit als 10-km-Spezialist und als Flachlandtiroler galt, nun über 31,1 Kilometer und in den Bergen bestehen.

Vielleicht wäre es sogar besser, Christmann gäbe am Sonntag sein Debüt auf dem „Kamm“. An seine Hermannslauf-Premiere von 2003 hat der Laufspezialist, der sich auch schon als Ironman im Triathlonmetier Meriten verdiente, nämlich keine guten Erinnerungen. Auch damals war er für eine vordere Platzierung gehandelt worden, was logisch war, denn immerhin war Christmann damals in den drei Jahren zuvor als Seriensieger über die Dörfer getingelt und hatte rund 30 Volksläufe in der Region gewonnen. Nicht so beim „Hermann“: Am Ende zottelte Christmann vor acht Jahren frustriert nach einigen Gehpausen mit „mageren“ 2:08:38 Stunden auf Rang 108 über die Promenade und verspürte erst einmal keine Lust mehr auf die Hatz durch den Teuto.

Zwischen 2004 und 2007 widmete sich der Blondschopf verstärkt dem Triathlon, startete als Ersatzmann für Trispeed in der 2. Bundesliga und bewies in drei Ironmans Härte und Zähigkeit. Sogar die Qualifikation für den Ironman Hawaii ergatterte Uli Christmann in Frankfurt mit 9:30:36 Stunden im dritten Anlauf. Der Traum vom großen Ironman-Finish auf Big Island platzte dann aber im Oktober 2006 wie eine Seifenblase. Uli Christmann war mit drei weiteren Athleten aus OWL bereits vor Ort. Zwei Tage vor dem großen Tag erwischte ihn dann jedoch die Grippe und er war zum zuschauen verurteilt.

Die Renaissance seiner Form in diesem Winter kommt für den Krankenpfleger, der in einer Gütersloher Klinik Suchtkranke betreut, selbst ein wenig überraschend. Vor 14 Monaten erwischte den gebürtigen Harsewinkeler, der mit Frau und einem Kind seit einigen Jahren in Paderborn lebt, ein Schlaganfall – zwei Tage nach einem respektabel absolvierten Halbmarathon. Den Schock über den plötzlichen Einschnitt und die Folgen – im wesentlichen war ein Sehnerv betroffen – steckte Ulrich Christmann dann aber erstaunlich gut weg. Von den Absichten, die Karriere zu beenden, verabschiedete sich Christmann im letzten Herbst, als er mit einer ganz kurzer Vorbereitung Knall auf Fall ins Wettkampfgeschehen zurückkehrte.

Mit vier Wochen Training lief er beim Böckstiegellauf im anderen Teil des Teutos auf Rang vier, zwei Wochen später war er sogar Vierter beim schweren 30-km-Teutolauf in Lienen. Spätestens als Christmann den Borgholzhauser Weihnachtscross gewann und beim Wiedenbrücker Christkindllauf über 10 km mit 32:57 Minuten bundesweit die zweitbeste Zeit in der Altersklasse M45 vorlegte, reifte die Idee für einen ernsthaften Angriff auf den „Hermann“. Dass ihn im Januar eine Wadenverletzung ausbremste und Christmann sich in der Paderborner Schwimmoper mit Aqua-Jogging und Schwimmeinheiten vier Wochen lang über Wasser hielt, sind heute Anekdoten am Rande. Mit diesem Kniff brachte er sich für die Cross-DM – eine weitere Premiere – in Form, wo er Anfang März in seiner Klasse Sechster geworden war.

Die Form ist da. Um die 100 km beträgt das Wochenpensum. Letzte Woche ist Christmann im Training 30 km zügig steigernd gelaufen, davon die letzten 5 km unter 3:30 Minuten pro Kilometer und dann am Donnerstag nochmal dreimal 5.000 m  in 17:30 Minuten. Er will sich am Sonntag an erfahrene Läufer wie Volkmar Rolfes orientieren. Und er kann mit einem guten Ergebnis auch noch den Trail-Running-Cup gewinnen. Ob er durchkommt, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Mit Marathons hat Uli Christmann beispielsweise keine guten Erfahrungen gemacht. Wie er die Berge beurteilt, den Tönsberg, die Treppen, den Eisernen Anton? Freizeitläufer haben diese Magiepunkte des Hermanns in den letzten vier Wochen bevölkert und die Höhenluft auf dem Kamm geradezu inhaliert. Nicht Ulrich Christmann. „Ich kenne die Berge kaum“, erklärt der Familienvater, er könne nie weit zum Training fahren, denn die kleine Tochter wolle schließlich auch bespielt werden. Ulrich Christmann ist am Sonntag ein Lokalmatador und diese Aussage ist für viele der 7.000 Hermannsläufer wahrscheinlich unglaublich: „Ich war keinmal zum Training auf der Strecke.“