Bis zu ihrem Wechsel nach Potsdam war Anna Waltermann Athletin von Trispeed Marienfeld und ständiger Gast beim Mittwoch-Bahntraining des Vereins im Moddenbachstadion. Zum DM-Titel gratulieren wir!
Harsewinkel (rob). Als Anna Waltermann im Alter von knapp 12 Jahren nach Potsdam wechselte, um auf dem Sport-Internat in Brandenburg die Grundlagen für Modernen Fünfkampf zu lernen, waren die Startvoraussetzungen nicht gerade günstig. Die heute 17-Jährige war eine gute Schwimmerin, sie hatte ein paar gute Ergebnisse im Triathlon vorzuweisen, aber sie konnte weder Fechten, noch Reiten und erst recht nicht Schießen. Fünf Jahre später ist aus der Quereinsteigerin eine Deutsche Meisterin geworden. Bei den U19-Titelkämpfen feierte die Harsewinkelerin, die einen DTU-Startpass für Trispeed Marienfeld gelöst hat, vor zehn Tagen ihren bislang größten sportlichen Erfolg und ließ 21 Konkurrentinnen hinter sich.
Am letzten Wochenende besuchte Anna Waltermann die Heimat. Urkunde und Auszeichnungen hatte sie in Potsdam gelassen. Die Zeit zu Hause war knapp, denn der Trainingsplan geht auch nach dem Titelgewinn schon wieder weiter. Nach einem lockeren Lauf am Samstagmorgen fuhr sie zum Reittraining nach Rietberg. 12 bis 14 Trainingseinheiten sind das Pensum, das ihr die Trainer aufgetragen haben, 18 bis 21 Stunden pro Woche. Im Internat wird der Schulunterricht entsprechend entzerrt. Das Abitur dort wird nicht auf 12 oder 13, sondern gleich auf 14 Jahre angelegt. Aktuell ist die Harsewinkelerin im 12. Jahrgang.
Lediglich 20 Unterrichtseinheiten stehen pro Woche auf dem Programm. Hinzu kommen allerdings Hausaufgaben, die nicht selten in den späteren Abendstunden gelöst werden. Das Training ist in den Tagesablauf integriert. Entweder beginnt die Schule um 7.30 Uhr, dann die erste Einheit um 10.30 Uhr angesetzt. Oder umgekehrt, das Training beginnt um halb acht, dann folgt die erste Schulstunde gegen zehn Uhr. Das zweite Training ist stets am Nachmittag gegen 16 Uhr. Ab und an werden dann kombinierte Einheiten, beispielsweise Athletiktraining mit Schwimmen, durchgeführt.
Macht soviel Training Spaß? Anna Waltermann hat eine einfache Erklärung: „Wenn es keinen Spaß machen würde, könnte man diese Umfänge gar nicht machen.“ Für sie war vor allem die Anfangszeit schwierig. Die Trennung von der Familie und dem Freundeskreis sowie die große Distanz zwischen Harsewinkel und Potsdam sorgten anfangs ab und an für Tränen. Konnte sie mal nicht nach Hause kommen, reisten die Eltern, meistens Mutter Birgit, während dieser Zeit an den Wochenenden zu ihr. Das hat sich längst gelegt. Inzwischen seien die Kontakte in Potsdam, wo ein ganzes Dutzend weiterer Sportarten von Volleyball bis Triathlon in der gleichen Sportschule untergebracht sind, gefestigt.
Ursprünglich hatte sie sich fürs Schwimmen in Potsdam beworben, aber die Qualifikationszeiten nicht erreicht. Weil sie unbedingt in den Leistungssport wollte, wurde Moderner Fünfkampf dann die zweite Chance. Da waren die Zugangsvoraussetzungen einfacher. Inzwischen geht Anna Waltermann voll in diesem Sport auf. Den Titel bei dieser offenen DM – auch ausländische Athletinnen waren zugelassen – gewann sie mit nur zwei Punkten Vorsprung. Allerdings hatte sie bei zwei Disziplinen noch Luft nach oben: Beim Reiten hatte sie irrtümlich angenommen, ein Hindernis noch einmal reiten zu müssen – das kostete Zeit. Und beim Schwimmen, der ersten Disziplin des Tages, blieb sie mit 2:21,1 Minuten über 200 m Freistil glatte fünf Sekunden über ihrer Bestzeit (2:16,1). „Da bin ich zu langsam angegangen“, erklärt sie ihre Zurückhaltung. Sie sei bei Wettkämpfen sehr kopfgesteuert, mache sich viele, manchmal zu viele Gedanken, sagt sie.
Dennoch gewann sie das Reiten und – noch überraschender – das Degenfechten. Dieser Wettbewerb im Modus „Jeder gegen jeden“ entwickelt sich bei Modernen Fünfkämpfen nicht selten zu einem Marathon. Allein durch die Länge des Wettbewerbs sind Steherqualitäten gefordert. „Für die Beine sehr anstrengend“, sagt Anna Waltermann. Der abschließende Biathlon (4 x 800 Meter Geländelauf mit Schießen) wird aufgrund dieser Vorbelastungen zu einer Herausforderung. Sechs Laufeinheiten pro Woche unterstreichen den Stellenwert des Laufens.
Die Pferde werden den Modernen Fünfkämpfern übrigens aus einem Pool gestellt und vor dem Springreiten zugelost. Reitspezialisten schütteln darüber mitunter den Kopf. „Kein Reiter würde mit einem zugelosten Pferd über diese hohen Hindernisse springen“, sagt Anna Waltermann. Bei der DM erwischte sie ein gutes Pferd. Das sei meistens so; bekomme sie aber mal einen störrischen Vierbeiner zugelost, dann werde es schwierig, erklärt sie.
Gut zweieinhalb Jahre sind es noch bis zum Abitur. So lange werde sie auf jeden Fall durchziehen. Danach würde sie gern ein Medizinstudium beginnen – und damit der Spur von Vater Thomas und dem älteren Bruder Simon folgen. Wie es danach mit dem Sport weitergeht, steht noch nicht fest. Als gerade 17-Jährige ist sie just erst in die U19-Klasse aufgerückt. Wenn sie in zwei oder drei Jahren in der offenen Frauenklasse ebenfalls für internationale Wettkämpfe nominiert würde, will sie dabeibleiben. „Dann würde es sich lohnen, den Aufwand weiter in Kauf zu nehmen“, sagt Anna Waltermann.